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Sigmar Gabriels neuer Gesetzentwurf zur Störerhaftung

// 09. 04. 2015

Das BMWI, geführt von meinem Genossen Sigmar Gabriel, schreibt auf seiner Website:

Durch die zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Alltag erwarten wir heute schnellen mobilen Internetzugang immer und überall. Hierfür benötigen wir ausreichende öffentliche WLAN-Hotspots, also drahtlose lokale Funknetzwerke. Dieser Erwartung will die Bundesregierung jetzt nachkommen und so dazu beitragen, dass die enormen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Potenziale von WLAN-Funknetzen mehr und mehr ausgeschöpft werden können. In deutschen Städten soll mobiles Internet über WLAN künftig für jeden und jede verfügbar sein.

(Hervorhebung durch mich).

So weit, so gut. Ja, wäre das geil, wenn jeder, der einen DSL-Router zu Hause oder im Büro hat, dort das Häkchen "Gastzugang einrichten" anklicken würde und jedem, der draußen vorbeiläuft, eine kostenlosen und freien WLAN-Zugang ermöglichen würde.

Schon jetzt nämlich beträgt die Abdeckung mit WLANs in Gebäuden gefühlte 100%. Ich kenne persönlich niemanden, der zu Hause oder im Büro kein WLAN hat. Wenn ich durch die Stadt laufe und die Funktion "auf neue WLANs hinweisen" in meinem Handy angeschaltet ist, bekomme ich so viele Hinweise auf WLANs, dass ich mit dem Wegklicken der Hinweise gar nicht hinterher komme.

Aber der Zugang zu nahezu allen diesen WLANs ist gesperrt. Auch der zu meinem eigenen. Warum? Wegen eines Rechtskonstrukts namens Störerhaftung. Super-grob zusammengefasst läuft das darauf hinaus, dass ich als WLAN-Betreiber dafür verantwortlich bin, wenn andere mit meinem WLAN Mist bauen. Z.B. geklaute Filme aus dem Netz laden. Und da meine IP-Adresse, die hinter meinem WLAN steckt, meinem Provider bekannt ist, kann - cum grano salis - jede Aktion im Internet, die über diesen Anschluss getätigt wird, mir als Anschlussinhaber namentlich zugerechnet werden.

Das ist der Status-Quo. Und damit leben eine ganze Menge von Interessen-Gruppen sehr gut:

  1. Die Rechte-Inhaber können sich relativ sicher sein, dass nur sehr wenige Mitmenschen Filme oder Musik klauen, weil die Gefahr, erwischt zu werden ("Wir kennen deine IP-Adresse!") relativ hoch ist. Solange einzig der Anschlussinhaber einen DSL-Anschluss (über WLAN oder Netzwerk-Kabel) nutzt, ist er automatisch derjenige, der den illegalen Download gemacht hat.

  2. Es gibt immer wieder Zeitgenossen, die es trotzdem versuchen. Sie sind das ganz große Geschäftsmodell der Abmahn-Industrie. Heerscharen an dubiosen Anwälten und ebenso dubiosen Rechte-Inhabern machen das ganz große Geschäft mit Abmahnungen wegen tatsächliche oder angeblichen Rechteverletzungen. Diese Leute haben überhaupt kein Interesse an freien WLANs, weil dann ihr Geschäftsmodell wegbrechen würde.

  3. In der ganzen öffentlichen Diskussion (z.B. bei Netzpolitik.org) werden die Mobilfunk-Provider mit keiner Silbe erwähnt. Dabei müssten sie meiner Meinung nach freie WLANs am meisten fürchten. Sieht man sich nämlich die zur Zeit gängigen Mobilfunk-Tarife einmal genauer an, bemerkt man, dass die Sprach-Telefonie mehr und mehr pauschal im Tarif enthalten ist. Oder anders herum: mit Sprach-Minuten lässt sich kein Geld mehr verdienen. Einzig und allein mit mobilem Internet-Zugang (LTE, UMTS) lässt sich Kohle machen.
    Und daher differenzieren sich die einzelnen Tarife mehr und mehr über das pauschal enthaltene Kontingent an Mega- oder Giga-Byte, mit denen man mobil im Internet unterwegs sein darf. Was wäre aber, wenn es überall freie WLANs gäbe? In jeder Strasse, in jedem Laden, in jedem Cafe - überall? Niemand käme mehr auf die Idee, einen Tarif für z.B. 50 Euro im Monat zu buchen, nur um überall mobiles Internet verfügbar zu haben. Das gäbe es ja sowieso überall. Ich halte einfach mein Handy in die Luft, buche mich in das nächste freie WLAN ein und fertig.

  4. Zum guter Letzt haben wohl auch die Sicherheitsbehörden ein großes Interesse daran, dass es keine freien WLANs gibt. Solange nur Anschlussinhaber - aus Angst vor der Störerhaftung - ins Internet gehen (über ihr eigenes WLAN), so lange ist auch jeder Internet-Nutz mehr oder minder verfolgbar. Ein Traum für jeden Geheimdienstler.

Zurück zum Genossen Gabriel. Mit großem Tamtam hat er ein neues Gesetz zur Störerhaftung angekündigt. Und weil er und sein Ministerium sich offensichtlich nicht ganz sicher waren, ob das beim Wahlvolk auch so richtig ankommt, hat er gleich noch eine ausführliche FAQ hinterhergeschoben.

Und da beginne ich mich dann doch ein klitzekleines bisschen aufzuregen. Genauer gesagt verspüre ich den inneren Drang in den Gernot Hassknecht-Modus zu schalten.

Das ganze Gesetz ist in keinster Weise dazu angelegt, die Rechtssicherheit zu schaffen, die es mir und allen anderen erlauben würde, ein freies und offenes WLAN zu betreiben.

Die Liste lässt sich fortsetzen. Eine guten Überblick über die Kritikpunkte gibt es bei Freifunk e.V. und bei Netzpolitik.org.

Schade, Genosse Gabriel. Das aus einem SPD-geführten Ministerium ein solcher Gesetzentwurf kommt, enttäuscht mich sehr.


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